Budo – Philosophie

Das Wort Dō stammt aus dem japanischen Zen Buddhismus und bedeutet Weg, Lehre, Richtung, Grundsatz, usw. Die Philosophie des Weges spielt aber nicht nur in den Kampfsporttarten eine wichtige Rolle, sondern in vielen anderen Bereichen, wie z.B. in den Religionen Asiens. Im Mittelpunkt steht dabei immer irgendeine Übung, welche im Fall des Kampfsports eine Technik darstellt. Das Ziel dieser Übung ist jedoch nicht das Erlernen einer Fertigkeit, sondern, dass der Mensch sein Leben durch sie mit Erkenntnis füllen kann. Dies macht sich dann im Verhalten des Menschen bemerkbar, denn die Erkenntnis und das erlangte Bewusstsein lenken das Handeln des Menschen über den Intellekt hinaus.
Dō befasst sich also, wie in den Weltreligionen, mit der Frage nach einem Sinn und den Zusammenhängen des Lebens. Denn seit er sich selbst bewusst geworden ist, sieht sich der Mensch als Mittelpunkt der Welt und strebt mit seinem Willen stetig nach Wachstum und Freiheit. Beides wird jedoch durch die Natur in Grenzen gehalten, in welcher der Mensch gefangen ist. Hier stellt sich nun die Frage, wie der Mensch leben soll. Einerseits soll er sein Selbst bewahren und andererseits aber auch mit der von der Natur geforderten Unterwerfung zurechtkommen. Das Ziel ist es also, einen Weg zu finden, welcher den beiden Mächten  gleichermaßen dient und ein Gleichgewicht zwischen ihnen darstellt. Den meisten Menschen jedoch gelang dieses Ziel damals wie heute nicht, was dann oftmals eine selbstverschuldete Not zur Folge hat. Denn sie erkennen nicht, dass der individuelle Weg eines Menschen immer das gleiche Ziel sucht. Durch die Not suchen die Menschen stets neue Wahrheiten, die wieder genauso endeten wie zuvor.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Habgier, der Egoismus und die nicht vorhandene Selbsterkenntnis dazu führen, dass das Ziel nicht erreicht werden kann. Ohne sein inneres Wachstum – damit ist die Selbsterkenntnis und deren Umsetzung gemeint – bleibt der Mensch ein von Instinkten beeinflusstes und egoistisches Wesen. Auf die Dō Übung wirkt sich dies negativ aus, weil sich derjenige gegen andere Dinge, die nicht in seine egoistische Denkweise passen verschließt, was wiederum das geistige Wachstum hemmt. Es gibt für jeden Menschen einen individuellen Weg, der laut Lind noch kein Weg aller Menschen sein kann, solange das geistige Wachstum nicht bei allen vorhanden ist. Die Möglichkeit den Weg (Dō) zu erreichen, besteht dann, wenn das Leben nicht Selbstzweck wird und gleichzeitig erkannt wird, dass eine Form nur zur Selbsterkenntnis dient. Der Weg führt dann zu persönlicher, innerer Freiheit, welche dem Mensch bzw. dem Leben einen Sinn gibt. Dies wird durch das Lösen vom Gewohnheitsdenken ersichtlich.

Der Unterschied zwischen Budō und einem gewöhnlichen Kampfsport kennzeichnet sich durch das Dō (Lehre des Weges). Dieser Unterschied lässt sich dadurch verdeutlichen, aus welcher Absicht eine Übung gemacht wird. Die erste Absicht ist Anerkennung durch Andere, welche durch Perfektion der äußeren Form erlangt wird.
Dies ist auch in fast allen Sportarten die Regel. Die andere, im Budō verlangte Absicht, ist das Erreichen persönlicher Reife, was durch das Streben der inneren Gestaltung erreicht wird. Dabei bleibt der Aspekt der äußeren Form im Hintergrund, da sie nur den Selbstzweck erlangen will./15 Das Entscheidende ist deshalb das Vorankommen auf dem Weg und nicht das endgültige Ankommen. Und es zählt nicht das Ergebnis, sondern das Bemühen, wie man etwas erreicht.
Es wird im Budō eine Übung ständig wiederholt, und jedes Mal so, als wäre es das erste Mal. Durch das permanente Üben, bildet der Mensch sich weiter. Dies führt nicht selten dazu, dass der Sportler etwas wie einen Schlag, etc. nahezu perfekt beherrscht. Daraufhin wird dann der Anspruch mit z.B. neuen Techniken gesteigert und zusätzlich geübt. Das Können tritt im Budō in den Hintergrund, da es sich mit Stillstand gleichsetzen lässt. Und Stillstand lässt sich mit dem Tod vergleichen. Deswegen sind die Budō Sportarten für ein Leben lang gedacht, da man nie genug üben kann./16

 

Dōjō – Der Ort, an dem der Weg geübt wird
Wie in fast jedem Sport spielt bei den Budō Sportarten der Ort, wo trainiert wird, eine wichtige Rolle. Im Budō wird dieser Ort Dōjō genannt. Hier wird auch ersichtlich, dass wieder das Wort „Dō“ im Namen impliziert ist. Übersetzt bedeutet Dōjō in etwa „Der Ort, an dem der Weg geübt wird“. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen Ort handelt, an dem nicht nur trainiert wird, sondern auch (zen-buddhistische) Werte vermittelt werden.17 Im Dōjō gelten bestimmte Regeln des Budō (Dōjōkun), auf die jedoch später noch näher eingegangen wird. Wird man ein Budoka18 nach einem Dōjo fragen, so ist es für ihn ein Ort der Meditation und des Lernens. Des Weiteren hat er zum Dōjō eine Beziehung wie zu einem zweiten Zuhause, was wiederum auch Teil der Wegübung sein sollte.

Traditionell ist ein Dōjō mit Matten ausgelegt und zeichnet sich durch seine Einfachheit und Sauberkeit aus. Es sollte jedoch nochmals erwähnt werden, dass die Kunst des Budō nicht ausschließlich im Dōjō stattfinden soll, sondern auf das ganze Leben übertragbar ist. Aus diesem Grund ist philosophisch betrachtet jeder Ort, an dem man sich auf die Wegübung konzentriert ein Dōjō.19 In vielen Budō Sportarten wird zum Training im Dōjō ein spezieller Anzug, ein sog. Gi getragen. Der Gi besteht aus einer Hose, einer Jacke (siehe Abb. III im Anhang) und dem Gürtel (Obi), welcher den Fortschritt des Budoka im Gürtelrangsystem (Kyūdan) durch die Farbe zeigt. Die Farbe des Gis ist weiß, was Reinheit symbolisieren soll. Durch die einheitliche Kleidung werden zudem Klassenunterschiede im Dōjō abgeschafft./20

 
Das Graduierungssystem (Kyūdan)
Wie schon in der Weglehre (Dō) beschrieben, kann sich der Budō Sportler steigern. Dies wird dann je nach Reife durch die jeweilige Graduierung des Gürtels sichtbar. Eingeführt wurde das Graduierungssystem von Jigoro Kano, der sich das früher vorherrschende System mit Graduierung durch Urkunden zum Vorbild nahm. Allerdings interpretierten mit der Zeit viele verschiedene Kampfkunstorganisationen das Graduierungssystem unterschiedlich. Das System lässt sich am besten in einer Graduierungspyramide, wie in der Abbildung) vereinfacht dargestellt, veranschaulichen. Das System wird in zwei Teile, nämlich in die Kyū und die Dan Graduierungen eingeteilt. Die Kyū sind dabei die Schüler Grade, welche wiederum meist in sechs Stufen, was aber je nach Kampfsportart und Schule zwischen fünf bis neun Stufen variieren kann, unterteilt werden. Die Dan werden als die Grade der Selbstperfektionierung bezeichnet und sind in zehn Stufen aufgeteilt, wobei die zehnte Stufe die Höchste ist. Jedem Kyū (Schülergrad) wird eine andere Gürtelfarbe zugeordnet, während die Dan Graduierungen die Schwarzgurte sind. Der sechste, und damit die niedrigste Stufe erhält die Farbe Weiß. Danach folgt (beispielsweise beim Jiu Jitsu) der gelbe Gürtel, usw., bis hin zum Braungurt. Sinn und Zweck des Graduierungssystems ist die Weitergabe der Budō Lehre der höheren Graduierungen (Yudansha und Kodansha) an die Schüler (Mudansha), welche die Herausforderung zum Ereichen der nächsten Stufe annehmen sollen. Die Yudansha bezeichnet man als technische Meister, während sich die Kodansha durch Ihre geistige Entwicklung von Ihnen unterscheiden.

 

guertel

 

Fussnoten:

  1. 15 Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 15-25.
  2. 16 Vgl. Wolters, Schröder, Schmitz: Budo – Pädagogik. Norderstedt 2014,
  3. 17 Vgl. Oliver Langewitz/Yvonne Bernart: Jugendliche und Kampfsport, Göttingen 2007, S. 30-33.
  4. 18 Siehe Begriffserklärung „Budoka“ (Anhang, S. 15).
  5. 19 Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 89-95.
  6. 20 Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 93-94.