Budo – Einleitung und Allgemeines
Diese Abhandlung befasst sich mit dem Thema Budō Kampfkünste und setzt sich dabei näher mit deren Philosophie und Lehre auseinander. Was für viele auf den ersten Blick absurd klingen mag, ist, dass überhaupt eine Philosophie hinter einem Kampfsport stecken kann. Denn aus den Augen der meisten Menschen besteht Kampfsport nur daraus, einen Gegner gewaltsam zu besiegen.
Viel zu sehr von den Vorurteilen gegenüber dem Kampfsport und von anderen Kampfsportarten beeinflusst, wird sich deswegen vom Budō Sport oftmals ein falsches Bild gemacht. Das typische Kampfsportlerbild, das sich in der Öffentlichkeit ausgeprägt hat, besagt, dass hauptsächlich Schlägertypen oder andere zwielichtige Gestalten einen Kampfsport ausüben./1 Doch befasst man sich einmal genauer mit den Budō Kampfsportarten, wird schnell klar, dass es in diesem Kampfsport um das genaue Gegenteil geht. Es geht nämlich in erster Linie um den Kampf mit sich selbst, seinem Ich, welches möglichst unter Kontrolle zu bringen ist. Allerdings gelingt dies nur, wenn die Philosophie, die dahinter steckt, richtig verstanden und umgesetzt wird.
Aus diesem Grund kann man hier auch von einer Kampfkunst – einer Kunst, die sich auf das ganze Leben bezieht – sprechen. Ursächlich für eine, etwas genauere Betrachtung dieser Philosophie ist einerseits, dass ich persönlich auch eine Budō Sportart, nämlich Jiu Jitsu ausübe. Andererseits handeln die meisten Bücher über Budō Kampfsportarten nur von der reinen Technik und nicht von der Philosophie. Laut Jörg-Michael Wolters behandelt nur eins von zehn Fachbüchern, die Philosophie der Kampfkünste./2 Daher möchte ich mich nun zuerst dem Thema Budō im Allgemeinen widmen, um anschließend auf die Lehre des Dō, einzugehen. Danach werden weitere wichtige Bestandteile der Budō Philosophie und daraus resultierende Ziele aufgeführt.
Der Begriff Budō
Der Begriff Budō (武 道) lässt sich als „Weg des Kriegers“ ins Deutsche übersetzen.
Das Wort setzt sich, wie auch aus den Schriftzeichen zu erkennen ist, aus insgesamt zwei Teilen zusammen. Die erste Komponente ist das „Bu“ (武), welches sich vom Bujutsu/3 herleiten lässt. Sie bedeutet so viel wie „kriegerisch“. Die andere Komponente „Dō“ (道) lässt sich als „Weg“ oder „Grundsatz“ übersetzen und stellt den Übungsweg der Selbstperfektion, einen wichtigen Teil der Zen Philosophie, dar.
Werner Lind beschreibt Budō zudem als Oberbegriff für alle Kampfkünste, die den Aspekt des Weges (Dō) beinhalten und sich aus den Kampftechniken des „Bujutsu“ entwickelt haben. „Bujutsu“ (übersetzt: „Technik des Kriegers“) ist der Begriff für alle Kampftechniken, die ursprünglich nur für den Kampf gegen Angreifer, oder andere Gegner gedacht waren und aus reiner Technik, ohne philosophischen Hintergrund, bestanden. Diese, in erster Linie zur Tötung gedachten Kampftechniken verbanden sich nach jahrhundertelanger Entwicklung zu Beginn 17. Jahrhundert mir der Zen Philosophie5 zum „Budō“.
Hierbei wird auch deutlich, wie es zu diesem Begriff kam./6 Da sich die Entwicklung des Budō hauptsächlich in Japan zutrug, wird „Budō“ auch als ein Sammelbegriff für japanische Kampfkünste verwendet. Oftmals werden jedoch unter dem Namen „Budō“ fälschlicherweise alle ostasiatischen Kampfkünste zusammen gefasst. Jedoch gehören streng genommen z.B. das aus Korea stammende „Taekwondo“ und andere Kampfkünste wie beispielsweise „Kickboxen“, nicht den Budō Sportarten an. Diese Differenzierung lässt sich zum Einen durch das Entstehungsland und zum Anderen durch die Entstehungszeit erklären./7 Während die Budō Sportarten sich Anfang des 17. Jahrhunderts so entwickelten, wie wir sie heute kennen, geschah dies bei Taekwondo im Jahr 1955 durch General Choi Hong Hi./8
Die Entwicklung zum Budō
Es stellt sich aber nun die Frage, warum es eine Weiterentwicklung der Kampftechniken des Bujutsu gab und diese mit der Zen Philosophie einen geistigen Hintergrund erlangten. Denn theoretisch könnte auch nur die reine Kampftechnik (Form) praktiziert werden. Nach Lind war das Ziel der Kampfkünste, demjenigen, der sie ausübte, die „[…] grundlegende[…] Angst vor dem Tod […]“/9 zu nehmen. Dies gelang jedoch mit der reinen Technik des Bujutsu nicht. Und aus diesem Grund, so Lind, wurde die Zen Philosophie übernommen und der Kampf von nun an gegen sich selbst geführt. Es entstand dabei eine harte Übung, welche
dem Menschen seine physischen und psychischen Grenzen aufzeigte. Dies führt dazu, dass der Mensch sich selbst besser erkennen kann und gleichzeitig seine Erkenntnis als Mensch verwirklichen kann. Eine der wichtigsten Bedingungen dafür ist, das eigene Ich zu überwinden. Denn die Form ist nur als Mittel da, um den Weg zu finden./10 Des Weiteren wurde Budō durch die Einflüsse des Bushidō (Weg der Samurai) geprägt. Hierbei handelt es sich um einen mündlich überlieferten Ehrenkodex der Samurai, welcher auf die moralischen Grundsätze des Sportlers abzielt./11 Beispiele hierfür sind die Grundtugenden der Samurai, welche Treue und Loyalität gegenüber dem Vorgesetzten, Gerechtigkeit, Ehrenhaftigkeit, Mut, Höflichkeit, Respekt, Verachtung des Todes, Mitleid mit allen Wesen sowie Verteidigung der eigenen Ehre sind./12
Die Budō Sportarten
Alle Sportarten des Budō verbinden sich durch ihr gemeinsames Ziel, dass der Mensch die Vervollkommnung durch den Weg (Dō) findet. Dies geschieht in den Budōsportarten durch eine Übung, welche Geiko genannt wird. Sie besteht in allen Budōsportarten aus der reinen Technik (Waza), dem Geist (Shin), durch den der Mensch seine inneren Zusammenhänge erkennen soll, und aus der vitalen Energie (Ki)/13. Die wichtigsten Sportarten des Budo, wie in Abbildung I) zu erkennen ist, sind Jiu Jitsu, Judo, Karate, Aikido, Kendo, Kijudo und Sumo. Hier kann auf Grund der großen Anzahl von verschiedenen Kampfstilen nur auf die Wichtigsten eingegangen werden. Es kann dabei grundsätzlich auf bewaffnete oder waffenlose Kampfstile eingegangen werden.
• Jiu Jitsu (übersetzt: die sanfte Kunst) beruht auf Techniken, die den Gegner mit möglichst geringem Kraftaufwand, wie der Name „sanfte Kunst“ schon sagt, kampfunfähig machen sollen. Dabei handelt es sich um eine waffenlose Selbstverteidigung, welche Schlag-, Hebel-, Würge- und Wurftechniken beinhaltet.
• Judo (übersetzt: der sanfte Weg) ist der am meist verbreitete japanische Kampfsport sowohl in Europa als auch in Japan. Er wird in erster Linie als Wettkampfsport betrieben und wurde von Jigoro Kano aus dem Jiu Jitsu entwickelt.
Um Judo wettkampftauglich zu machen, wurden dazu die lebensgefährlichen Techniken aus dem Jiu Jitsu entfernt bzw. so abgeändert, um den Anderen nicht zu verletzen. Aus diesem Grund enthält das Judo keine Schlagtechniken, wobei die Selbstverteidigung nur teilweise möglich ist.
• Aikido besitzt mehrere freie Übersetzungen. Eine davon lautet z.B. „ein Weg aus Geist und Harmonie. Diese Kampfkunst wurde von Ueshiba Morihei entwickelt und impliziert Elemente aus dem Jiu Jitsu aber auch aus Judo und Kendo.
Bei Aikido handelt es sich um eine sehr defensive Kampfsportart, da lediglich Abwehrtechniken geübt werden. Da der Kampfsport auch an Kendo anlehnt, beinhaltet es Techniken mit dem Stock. Ansonsten zeichnet sich Aikido als waffenloser
Kampfsport durch die Hebel- und Wurftechniken aus. Wie auch eine Vielzahl der Budōsportarten endet Aikido mit „dō“, was auf die Lehre des Weges aus der Zen Philosophie hinweist.
• Karate (übersetzt: mit leerer Hand) ist eine waffenlose Selbstverteidigung, die hauptsächlich aus Schlagtechniken, also Tritten, Schlägen und Stößen besteht. Hierbei überwiegen die Armtechniken (z. B. Fauststöße) die Beintechniken.
• Kendo (übersetzt: der Weg des Schwerts) ist eine Art Stockfechten, welche sich aus dem Kenjutsu (Schwertkampf) entwickelte. In Japan genießt dieser Sport eine große Beachtung und wird mit abgeänderten Regeln des Ken-Jutsu selbst heute noch in Wettkämpfen praktiziert.
• Beim Kijudo (übersetzt: der Weg des Pfeils) handelt es sich um ein Bogenschiessen, das seinen Wert vor allem auf Konzentration, Atmung und Disziplin legt. Bei Kijudo stehen die Tradition und die rituelle Bedeutung im Vordergrund.
• Sumo ist die populärste und auch ältesete Volkssportart in Japan, wobei es sich um einen traditionellen Ringkampf handelt. Früher diente es einerseits zur Unterhaltung, andererseits als auch zur Ausbildung von Kriegern. /14
Fußnoten:
- Vgl. O.Langewitz/Y.Bernart: Jugendliche und Kampfsport. Göttingen 2007, S. 25.
- Vgl. Jörg-Michael Wolters: Budo-Pädagogik: Das erzieherische Wesen der Kampfkünste und budopädagogische Perspektiven Norderstedt 2014, S. 9,
- Siehe Begriffserklärung „Bujutsu“ (Anhang, S. 15).
- Vgl. Eintrag „Budo“ in Munzinger Online/Brockhaus 2014, 21. Auflage, URL: http://www.munzinger.de/ document/12004010618 (vom 14.06.2014, 09.32 Uhr).
- Siehe Begriffserklärung „Zen (-Buddhismus)“ (Anhang, S. 15).
- Vgl. Werner Lind: Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste, Hamburg 2007, S.109.
- Vgl. Matthias von Saldern (Hrsg.): Meisterung des Ichs. Budo zur Gewaltprävention? Norderstedt 2011, S. 10-12,
- Vgl. Andreas Bulling: Die Geschichte des Taekwondo.
- Lind: Budo. a.a.O., S. 110.
- Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 110-111.
- Vgl. Paul D. Short: The Development and Psychology of Bushido and Budo, In: The Aikido FAQ (2011)
- Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 281-282.
- Vgl. Lind: Budo. a.a.O., S. 110.
- Vgl. Markus A. Rader: Budō to bujutsu. Entstehung und Entwicklung japanischer Kampfkünste. In: Fachschaft Jap. Uni München (1998)